Vor etwa 200 Jahren fanden sich
Fabrikarbeiter zusammen um auf Befehl König Ludds Webmaschinen zu zerschlagen
und Fabriken zu demolieren. Im England der Industrialisierung glich das einer
Kriegserklärung an die Klasse der Fabrikbesitzer und diese reagierten mit
entsprechenden Mitteln.
Die verschiedenen
Arbeitergruppen, die unter dem Pseudonym und auf Geheiß des fiktiven Königs
Ludd agiert hatten, wurden zerschlagen. Ihre Mitglieder wurden hingerichtet
oder nach Australien deportiert. Doch König Ludd entging dem Galgen und wurde
zu einem Symbol gegen den Fortschritt.
"And down with all kings but
King Ludd!"
Spätere Historiker aus der Ecke
des Revisionismus bewerteten die Maschinenstürmer als Kämpfer der
Arbeiterklasse und ihren Kampf nicht als Kampf gegen den Fortschritt, sondern
als Kampf gegen das Kapital und für bessere Lebensbedingungen. Letztendlich
spielt ihre Motivation keine Rolle mehr. Wird heute von Neo-Ludditen geredet, so schwingt dabei immer die Bedeutung des
Fortschrittsgegners mit. Dazu gehören sowohl Menschen, die an der Technik und
Wissenschaft zweifeln oder sogar in radikaler Opposition stehen und zu einem
früheren Zustand zurückwollen.
Seit der Aufklärung setzte sich
bei vielen Menschen im Westen der Glaube an einen ständigen positiven
Fortschritt der Menschheit durch und löste verschiedene andere
Glaubensrichtungen, wie zyklische Modelle und das Erreichen eines Endziels ab.
Jahrhunderte später beherrscht
die Menschheit den Luftraum und ist in das All vorgestoßen. Die Menschen im
Westen erreichen ein für frühere Verhältnisse biblisches Alter. Der Großteil
aller Krankheiten sind ausgerottet oder behandelbar. Man kann in nahezu
Echtzeit mit Menschen auf anderen Kontinenten per Bild und Ton kommunizieren
und binnen eines Tages zu ihnen reisen. Wir haben das Atom gespalten und können
Energie aus unserer Umwelt zu unserem Nutzen einsetzen.
Warum also müssen wir uns immer
noch mit dem Geist König Ludds herumärgern?
“In the world I see you are stalking elk through the damp canyon forests around the ruins of Rock feller Center. You'll wear leather clothes that will last you the rest of your life. You'll climb the wrist-thick kudzu vines that wrap the Sears Towers. And when you look down, you'll see tiny figures pounding corn, laying stripes of venison on the empty car pool lane of some abandoned superhighways.”
Chuck Palahniuk- Fight Club
Nach einem Zeitalter des
Fortschrittsglaubens hat die Idee bei vielen Menschen einen schweren Stand.
Dies zeigt sich in vielen Facetten wie zum Beispiel der Populärkultur und hat
mehrere Gründe. Zuerst möchte ich jedoch einen Überblick über den
Fortschrittsglauben der jüngeren Geschichte geben.
Einen ersten Dämpfer erhielt der
Glaube an den guten Fortschritt in den Gräben Flanderns. Das
Zerstörungspotential der Technik traf die Menschen unvorbereitet und prägte
diese Generation nachhaltig. Der zweite Weltkrieg war technisierter, aber er
hinterließ im kollektiven Bewusstsein nicht dieselben Spuren, obwohl er
wesentlich grausamer geführt wurde. Die Täter waren Menschen und eine
menschliche Idee. Die Technik war ein Schwert, das Held und Schurke
gleichermaßen führen konnten.
Die Nachkriegszeit war geprägt
vom Aufschwung und dem Glauben an einen guten Fortschritt. Die Regale wurden voller,
die Autos zahlreicher und auch die friedliche Nutzung der Atomenergie ließ die
Menschen träumen. Liest man Sci-Fi-Literatur aus dieser Zeit, so führen alle
Menschen im Jahr 2000 Hover-cars, Unterwasserfischfarmen versorgen eine
wachsende Weltbevölkerung und der Mond wäre kolonisiert. Aber auch damals gab
es schon die Nein-Sager und die "Früher war alles besser"-Fraktion.
Der Club of Rome prognostizierte
ein Austrocknen der Ölquellen, Orwell diskutierte die Möglichkeiten einer
totale Überwachung und die
Friedensbewegung schürte Angst vor dem nuklearen Holocaust.
Beinahe ein halbes Jahrhundert
später lehne ich mein Fahrrad an der Ruine eines Plattenbaus und danke dem
großen Bruder, dass ich trotz wolkenverhangenem Himmel das grünliche
Alpenglühen genießen kann.
Der Ist-Zustand weicht natürlich
stark von den Prognosen ab. 1967 träumte kaum jemand von Smartphones und der Digitalisierung. Die Leute würden über Dinge staunen, die wir
als ganz alltäglich wahrnehmen. Keiner würde bestreiten, dass wir in diesen 50
Jahren nicht fortgeschritten wären.
Von der Geschichte kommen wir nun
zu den Facetten dieser Gegnerschaft. Diese reicht von Anarcho-Primitivisten
über Impfgegner bis hin zu "Naturschützern".
Ted Kaczynski ist ein gutes
Beispiel eines Fortschrittfeindes und Kulturpessimisten, da er in seinem
Weltbild mehrere Strömungen vereint. In seiner Schrift: "The coming
revolution" führt er die aus seiner Sicht nötigen Schritte an:
Ablehnung aller modernen
Technologie, des Materialismus und sogar der Zivilisation wie wir sie kennen. Liebe
zur sowie Vergöttlichung der Natur, die Bestrafung der Verantwortlichen
(Wissenschaftler, Ingenieure, Politiker) an den Missständen und eine
"Vergrößerung" der Freiheit.
Auf dem Gebiet der Freiheit ist
er leider kein Fachmann, da er seit guten 24 Jahren hinter Gittern sitzt. Anscheinend
kann man ein Genie
sein und trotzdem nicht alle Latten am Zaun haben, denn Leute mit
Briefbomben ermorden und damit eine Revolution auslösen wollen?
RUFKM?
Warum sollte man sich trotzdem
mit Leuten beschäftigen, die diese Ideen vertreten?
Nun- sie beeinflussen die
Debatte. Dabei sind die meisten Vertreter gar nicht so hardcore wie Ted
Kaczynski, aber verändern dennoch durch ihre Ansichten ihre Umwelt.
Ob Atomenergie, diverse
Bauvorhaben, Stromtrassen oder aktuell Elektromobilität, Corona und Umwelt. Es findet keine
vernünftige Debatte statt. Man redet nicht richtig über technische oder
wirtschaftliche Aspekte, es schwingt immer der persönliche Gusto und das
Eigeninteresse komprimiert als politischer Wille mit. Dazu fehlt den meisten
Deutschen die Fähigkeit von 12 bis Mittag zu denken.
Natürlich kann man jetzt hergehen
und sagen, dass es nicht so schlimm sei, wenn dieser Bahnhof langsamer oder kleiner
gebaut wird, weil man vorher einen Feldhamster umsiedeln muss oder eine Stromtrasse
nicht gebaut wird, weil dadurch ein Hügelkamm nicht mehr so schön aussieht.
Aber auf längere Sicht rächt sich sowas.
Man kommt als Gruppe langsamer voran,
reibt sich auf Nebenkriegsschauplätzen und entwickelt sich immer langsamer.
Stillstand ist Rückschritt und wer auf seiner Stufe verharrt, wird irgendwann
von denen gefressen, die "besser" sind. In der Natur bedeutet besser
immer ein "besser angepasst", in unserem Fall entspricht ein besser
eher einem wettbewerbsfähiger. Im Konfliktfall bekommt "besser"
nochmal eine andere Bedeutung.
"Where are your marvels of
engineering? Your voyages of discovery? Your great insight to the nature of the
universe? Even at our basest, when we dressed as you do, hunted as you do, lived
as you do, we did more than merely survive. We build wonders. We made great
journeys. We forged epics. You have not.....
And above your tomb, the stars
will belong to us."
Colonel Miles- Avatar
Der Film "Avatar" endet
damit, dass die Ureinwohner das Expeditionscorps aufreiben und vertreiben. Das
war Teil 1. In Teil 2 erscheint eine größere Truppe und macht die Blauhäute wie
damals die Kolonisten die Rothäute nieder. In Teil 3 werden die Überlebenden in
Reservate gesperrt oder im Worst Case an Chinesen verkauft.
Wer aufhört sich zu entwickeln...
wird aufhören zu existieren.